Der Erfolg eines Bogenschützen oder einer Bogenschützin hängt von Stabilität und Wiederholbarkeit der einzelnen Bewegungsabläufe ab. Der Stand ist hier das Fundament auf dem gezielt aufgebaut werden muss. Stimmt der Stand des Bogenschützen nicht, resultiert daraus, dass alle weiteren Elemente (biomechanischen Abläufe) nicht korrekt ausgeführt werden können. Egal wie viel und wie oft der Bogenschütze trainiert: Er muss immer eine stabile Verbindung zwischen dem Oberkörper und den Beinen herstellen.
Der Bogenschütze betritt die Schießlinie und beginnt mit seinen Füßen, sich einen sicheren und bequemen Stand in Schulterbreite zu suchen. Hierzu unterscheidet man zunächst zwischen dem geschlossenen und offenen Stand. Wichtig hierbei ist, dass der Bogenschütze sich wohl fühlt.
Einen aufgezwungenen Stand empfindet er zunächst als sehr unangenehm und baut unbewusst eine innere Blockade dagegen auf. Eine Veränderung der Winkelfunktionen kann im Einzelfall erfolgen, sollten aber mit dem fachkundigen Trainer abgesprochen werden.
Der offene Stand hat sich in den letzten Jahren gegenüber dem geschlossenen Stand durchgesetzt. Er bietet den Vorteil, dass bei äußeren Einflüssen, wie Wind, eine höhere Stabilität in Bezug auf den sicheren Halt/Stand erreicht wird.
Bei der Gewichtsverteilung ist darauf zu achten, dass der Bogenschütze sein eigenes Körpergewicht mit ca. 60 % auf die Fußballen und ca. 40 % auf die Fersen verteilt. Diese Gewichtsverteilung sorgt nun dafür, dass die kommenden biomechanischen Bewegungsabläufe korrekt ausgeführt werden können. Jeder Bogenschütze sollte unbedingt darauf achten, dass er nicht zu viel seines Körpergewichtes auf die Fersen verlagert, da hier der eigene Schwerpunkt zu weit in den Rücken verlagert wird, was zur Folge hat, dass ein Stabilitätsverlust eintritt. Dieses sollte unter allen Umständen verhindert werden!
Der nächste Aspekt für den Bogenschützen ist es, die richtige Körperhaltung zu definieren. Der Oberkörper sollte gerade aufgerichtet und die Knie leicht nach vorne entspannt sein. Hierbei ist es von entscheidender Bedeutung für den Bogenschützen, dass die Knie niemals fest nach hinter durchgedrückt sein dürfen. Dieses führt letztendlich dazu, dass es im Laufe der Zeit zu massiven Rücken- und Knieschmerzen führen wird, da durch die falsche Positionierung der Knie ein Hohlkreuz gebildet wird.
Steht der Bogenschütze nun im offenen Stand an der Schießlinie, so zeigt seine Hüfte um die Gradzahl von der Scheibe weg, in welcher er seine Füße an der Linie positioniert hat. Hebt der Bogenschütze nun seinen Bogenarm, so wird er feststellen, dass seine Hüfte in eine andere Richtung zeigt und nicht mehr auf die Scheibenmitte gerichtet ist. Er muss nun seine Hüfte in Richtung der Scheibe drehen und lässt dabei seinen Bogenarm auf die Scheibe gerichtet stehen.
Diese Körperhaltung wird vom Schützen zunächst als schwierig empfunden, sollte aber mit gezieltem Training nach einigen Trainingseinheiten nicht mehr als Problem angesehen werden. Steht der Bogenschütze im geschlossenen Stand an der Schießlinie, so zeigt seine Hüfte automatisch zur Scheibenmitte hin. Bogenarm und Hüfte bilden hier eine direkte Linie zum Ziel. Bei beiden exakt ausgeführten Ständen (geschlossener und offener) zeigt die Bogenschulter nach dem Vollauszug der Sehne (Recurve und Compound) zur Scheibenmitte hin.
Wie finde ich meinen optimalen Stand heraus?
Hier bietet sich der sogenannte „Blindtest“ an. Er ist für den Bogenschützen eine zuverlässige Methode, hier seinen eigenen optimalen Stand heraus zu finden und den Körper in eine Position zu bringen, die es ihm ermöglicht, die folgenden biomechanischen Abläufe korrekt zu reproduzieren. Die Blindmethode wird folgendermaßen zur Anwendung gebracht:
Die Zielscheibe steht in einer Entfernung von 15 bis maximal 18 Meter. Der Bogenschütze stellt sich nach seiner Wahl in den offenen oder geschlossenen Stand an die Schießlinie, wobei sein Gesicht in Scheibenrichtung zeigt. Jetzt verschließt der Bogenschütze seine Augen und hebt den Bogenarm rein gefühlsmäßig so an, dass er der Meinung ist, der Bogenarm zeige direkt auf die Scheibenmitte hin. Nun öffnet er das Zielauge.
Zeigt der Bogenarm nun tatsächlich auf die Scheibenmitte, hat er seinen optimalen Stand gefunden. Ist der Bogenarm jedoch links oder rechts von der Scheibenmitte positioniert, so muss der Stand so lange korrigiert werden (Änderung der Fußstellung) bis der Bogenarm direkt auf die Scheibenmitte ausgerichtet ist. Es besteht hier die Möglichkeit, dass der Bogenschütze sich in der gefundenen Idealstellung anfangs noch nicht recht wohl fühlt. Er sollte aber unbedingt diesen (seinen) optimalen Stand in sein Training aufnehmen, was im letztendlich zu besseren Ergebnissen führen wird.
Trainings-Tipp:
Für den Trainer empfiehlt es sich, den Bogenschützen des öfteren von der Schießlinie wegtreten und im Anschluss daran wieder herantreten zu lassen. Durch diese ständigen Wiederholungen wird sicher gestellt, dass der Bogenschütze einen festen und wiederholbaren Schießstil (in Bezug auf seinen Idealstand) entwickelt.
Text: © Bert Mehlhaff
Fotos: © Martina Berg
Martina Berg ist Chefin von Bogensport Deutschland. Sie schießt intuitiv mit einem Hybridbogen, ist DFBV-Trainerin und Lippische Meisterin mit dem traditionellen Bogen. Als engagierte Händlerin kennt sie sich auch mit Compound- und Recurvebögen aus. Zusammen mit Bert Mehlhaff schreibt sie Bücher für Bogenschützen.
An anderer Stelle kann der Bogeninteressierte lesen, dass es vorteilhaft ist, beim Einnehmen des Standes die Fußspitzen etwas einwärts zu drehen sind und dass die Kniee unbedingt durchzudrücken seien, wogegen hier vorgegeben wird, letzteres genau nicht zu tun!
Was ist nun richtig?
Laut dem 4-Phasenmodell unseres Nationaltrainers und dem koreanischen Nationalteam ist der hier beschriebene Stand der optimale. Es ist aber durchaus möglich, dass bei dem einen oder anderen Schützen das Eindrehen der Fußspitzen besser ist. Dies sollte der Schütze zusammen mit einem ausgebildetem Bogensporttrainer herausfinden.