Wir möchten den Inhalt unseres Buches „Richtig schießen mit dem Recurvebogen“ in loser Folge allen Interessierten kostenlos zur Verfügung stellen. Die einzelnen Teile werden nach und nach in unregelmäßigen Zeitabständen hier auf dem Blog von Bogensport Deutschland veröffentlicht. Das gebundene Buch können Sie hier bestellen, die E-Book-Version bekommen Sie bei Amazon.
Positionsphase 3 – Die Halteposition
Der Bogenschütze hat nun die sogenannte Lagebeziehung von Stütz- und Zugseite optimiert. Dieses bedeutet, dass die Kräfte auf der Zugseite sich im Einklang befinden mit den Kräften auf der Stützseite (50 % Stützseite und 50 % Zugseite) und sich somit der Körper in der Balance befindet.
Zusätzlich hält der Schütze seine Rückenspannung und auch die Stützlinie 1-3 konsequent aufrecht. Es ist vom Schützen als auch vom Trainer darauf zu achten, dass es zu keinem Verlust der Rückenspannung oder der Halteposition kommt, da sich sonst die Kräfteverhältnisse ändern und der weitere Bewegungsablauf nicht korrekt ausgeführt werden kann.
Zielen in der Halteposition
Hier kommen wir zunächst noch einmal zurück in die Anhebe-position. Dort hatte der Bogenschütze den sogenannten Vorziel-punkt erfasst und hat dann alle Bewegungsabläufe bis zur Halteposition ausgeführt. Hierbei sollte es zu keinen größeren Höhenunterschieden auf Seiten der Zugseite gekommen sein und das Korn beziehungsweise der Visierpin befindet sich noch immer im oberen Bereich der blauen Ringzahlen 5 und 6.
Nun wandert das Korn (oder der Visierpin) von oben her ins Zentrum des Ziels und wird dort gehalten. Leichte Schwankungen innerhalb des Zielfensters sind akzeptabel und tolerierbar. Gerade der Anfänger hat aufgrund seiner noch nicht voll entwickelten Kräfte für das Bogenschießen hier zunächst etwas größere Schwierigkeiten das Korn ruhig in der Mitte zu halten.
Er wird nun versuchen, dieses durch ein längeres Halten des Bogens in der Halteposition auszugleichen. Um so länger er jedoch versucht die Halteposition und das Korn im Zielfenster zu halten, um so größer ist der Kraftverlust und die Schwankungen nehmen mit jeder verstrichenen Sekunde zu.
Zielen Sie deshalb nicht zu lange, denn es kommt der Zeitpunkt, indem Sie die Kontrolle über Ihren Schuss verlieren, was letztendlich zu einer schlechten Trefferlage führen wird.
Hat der Bogenschütze nun das Zielen abgeschlossen muss er sich gedanklich vom Zielen lösen und sich auf die Überprüfung des Sehnenschattens konzentrieren.
Was ist der Sehnenschatten und wie setze ich ihn ein?
Hat der Bogenschütze seinen Ankerpunkt (Zeigefinger schließt bündig mit dem Kieferknochen ab) gefunden, befindet sich nun die Sehne Mitte Kinn und direkt vor seinem Zielauge.
Da der Abstand zwischen Sehne und Auge relativ gering ist, erscheint die Sehne dem Schützen als „verschwommen“. Dieser Zustand wird mit dem Begriff „Sehnenschatten“ umschrieben. Es handelt sich hierbei nicht um einen durch eine Lichtquelle hervorgerufenen Schattenwurf der Sehne.
Merke: Die Sehne ist der Sehnenschatten!
Der Rechtshandschütze schaut nun mit seinem rechten Auge entweder direkt durch die Sehne hindurch oder alternativ links oder rechts an der Sehne vorbei.
Geschieht dieses aus Unwissenheit oder mangelnder Konzentration des Schützen unterschiedlich, so ergeben sich unterschiedliche Trefferlagen in seitlicher Richtung (hier: links und rechts vom Zentrum).
In der Regel verläuft dieser „verschwommene Strich“ rechts entlang des Visiers oder links an der Kante des Bogenfensters. Bei der Schießtechnik des Seitenankers kann der Sehnenschatten aber auch an der Außenkante des Mittelteils liegen.
Um eine Korrektur des Sehnenschattens vorzunehmen, bewegt der Bogenschütze nun seinen Kopf leicht nach links oder nach rechts. Solange, bis die Sehne (der Sehnenschatten) die korrekte Position eingenommen hat.
Egal, welche Position des Sehnenschattens vom Schützen favorisiert und angewendet wird, wichtig ist, dass er immer die gleiche Position hat.
Zur Verdeutlichung der Wichtigkeit des Sehnenschattens hier noch eine kleine graphische Darstellung zu diesem Thema:
Nach Überprüfung des Sehnenschatten bleiben die Augen weiterhin auf das Korn bzw. das Ziel gerichtet.
Nochmals kurz zusammengefasst:
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- das Korn wandert von oben her ins Zielfenster
- die Position des Sehnenschattens wird überprüft und gegebenenfalls korrigiert
- die Augen bleiben auf das Ziel / das Korn fixiert
Expansion aus der Halteposition
Um den weiteren Bewegungsablauf ausführen zu können, kommt der Bogenschütze nun zur sogenannten Expansion.
Hierbei wird die Rückenspannung weiter erhöht und es wird eine Mikrobewegung von 1 bis 2 mm durchgeführt, die es dann dem Schützen erlaubt, durch den Klicker zu kommen.
Bei dieser Mikrobewegung bewegt sich die Oberarmrückseite parallel zur Schießlinie nach hinten. Die dabei auftretende Kontraktion im Rücken weitet den Brustkorb/Oberkörper.
Dieses nochmals in Kurzform:
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- Erhöhung der Rückenspannung
- Mikrobewegung
- Oberarmrückseite bewegt sich parallel zur Schießlinie nach hinten
- Kontraktion im Rücken weitet die Brust
Lösen aus der Halteposition
Der Bogenschütze befindet sich weiterhin in der Halteposition und löst hier das Kräftegleichgewicht auf. Hierbei kommt es zur Freigabe der Sehne und des Bogens.
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- Die Sehne gleitet durch die sich entspannenden Finger der Zughand
- Der Bogengriff löst sich von der Bogenhand
Das Lösen beim Bogenschießen gehört sicherlich zu den schwierigsten Bewegungsabläufen in diesem Sport. Der entscheidende Faktor hierbei ist, dass sich im Moment des Lösens die zuvor aufgebaute Rückenspannung bei 100 % befinden muss und sich nahezu kein oder nur ein geringer Teil des Zuggewichts auf den Fingern der Zughand befindet.
Nur dieser Zustand ermöglicht es dem Bogenschützen, die Finger zu entspannen (kein aktives Öffnen der Zugfinger) um die Sehne durch die sich entspannenden Finger gleiten zu lassen.
Hier endet die Positionsphase 3 – bald geht es weiter mit der Postionsphase 4, der Nachhalteposition.
Richtig schießen mit dem Recurvebogen – alle Folgen
Text, Grafiken & Fotos: © Bert Mehlhaff & Martina Berg (Bogensport Deutschland / Deutscher Bogensportverlag)
Martina Berg ist Chefin von Bogensport Deutschland. Sie schießt intuitiv mit einem Hybridbogen, ist DFBV-Trainerin und Lippische Meisterin mit dem traditionellen Bogen. Als engagierte Händlerin kennt sie sich auch mit Compound- und Recurvebögen aus. Zusammen mit Bert Mehlhaff schreibt sie Bücher für Bogenschützen.