Zu diesem (schwierigen) Kapitel möchte ich zunächst folgendes anmerken:
Für eine Vielzahl von Bogenschützen ist der Prozess des Zielens von grundlegender Bedeutung. Das sollte aber nicht so sein. Der entscheidende Faktor ist, dass das Zielen erst nach der Phase „Vorbereitung des Schusses/Laden – Transfer“ beginnen sollte und nicht schon vorher!
Sehen wir uns diese Phase etwas genauer an:
Hat der Bogenschütze seine biomechanischen Bewegungsabläufe bis hierhin erfolgreich abgeschlossen, so wird er seine Aufmerksamkeit nun auf den Vorgang „Zielen“ richten. Als Idealzeit, vom Halten bis hin zum Lösen, wird ein Zeitraum von ein bis drei Sekunden als optimal angesehen.
Und genau an diesem Punkt muss der Bogenschütze seinem Unterbewusstsein die Möglichkeit geben, den Visierpin in das Zielgebiet zu bringen. Dieses bedeutet für den Bogenschützen, dass er nicht krampfhaft versuchen sollte, den absoluten Mittelpunkt im Gold zu suchen und anzuvisieren, sondern im Zielgebiet in einer flüssigen Bewegung umher zu wandern. Richtet er seine volle Konzentration auf den Vorgang des Zielens, so wird er seine Verbindung zur Rückenspannung definitiv verlieren. Das Zielen ist als nötig für den Bogenschützen anzusehen, sollte aber mehr unbewusst als bewusst durchgeführt werden.
Beginnt der Bogenschütze nun mit der Expansionsphase, so sollte der Zugellbogen idealerweise hinter der Linie des Pfeils gehen. Hierbei dreht sich das ziehende Schulterblatt ein, öffnet den Brustkorb was letztendlich ausreicht, die letzten 1 bis 3 Millimeter durch den Klicker zu kommen. Detaillierte Informationen hierzu findet der interessierte Bogenschütze unter der Bezeichnung: „Die Verhältnismäßigkeit der kreisförmigen Bewegung“.
Die Expansionsphase soll dem Bogenschützen das Gefühl geben, dass durch das Ziehen hinter die Linie und der Dehnung des Brustkorbes ein Rundwerden zwischen dem Bogenarm und dem Zugarm erreicht wird, dass ausreicht, um durch den Klicker zu kommen. Um auch hier den größtmöglichen Erfolg sicher zu stellen, sollte die Balance in der Expansionsphase im Verhältnis 50 zu 50 erfolgen. Eine Verschiebung dieser Balance führt zur Verlagerung des Körperschwerpunktes.
In den meisten Fällen wird sich der Bogenschütze nach hinten lehnen, oder in den weniger häufigen Fällen, geht er mit seinem Körpergewicht nach vorne. Beides ist hier kontraproduktiv. Während der Expansionsphase muss die volle Konzentration auf diese Phase gerichtet sein. Alle ablenkenden Gedanken müssen definitiv ausgeschaltet werden, da sonst die Rückenspannung verloren geht. Ein entspanntes Lösen ist dann nicht mehr möglich.
Text: © Bert Mehlhaff
Foto: © Martina Berg
Martina Berg ist Chefin von Bogensport Deutschland. Sie schießt intuitiv mit einem Hybridbogen, ist DFBV-Trainerin und Lippische Meisterin mit dem traditionellen Bogen. Als engagierte Händlerin kennt sie sich auch mit Compound- und Recurvebögen aus. Zusammen mit Bert Mehlhaff schreibt sie Bücher für Bogenschützen.