Die Begeisterung des Bogenschützen bei Wind zu schießen, hält sich gelinde ausgedrückt, in Grenzen. Viele empfinden den Wind als störend und wir können ihn nicht eben mal „abstellen“. Er ist da und wir müssen mit den äußeren Umständen im Hier und Jetzt klarkommen. Der Wind stellt somit eine der größten Herausforderungen in unserem Sport dar.
Die folgenden Tipps sollen den noch nicht ganz so geübten Bogenschützen in seiner Trainingsarbeit bei schwierigen Windverhältnissen unterstützen, um ihm letztendlich ein sicheres und selbstbewusstes Schießen zu ermöglichen.
Vorab hier eine kleine Wortdefinition:
Was bedeutet das Wort „selbstbewusst“?
Zusammengesetz aus den Worten selbst und bewusst. Selbst steht hier für die Person, auch ich! Bewusst definiert das aktive und durch innere Denkvorgänge herbeigeführte erkennen der eigenen Persönlichkeit. Einfach ausgedrückt bedeutet dieses nichts anderes als: „Ich weiß was ich kann!“
Dieses ist auch gleich der erste Tipp für das Schießen bei Wind. Verfallen sie nicht in Panik, sondern gehen sie selbstbewusst an das Schießen heran. Rufen Sie sich die elementaren Prinzipien des korrekten Schusses in Erinnerung den sie auch sonst im Training durchführen. Suchen sie sich einen Zielpunkt und vertrauen sie ihrer eigenen Beurteilung hinsichtlich der Windverhältnisse was letztendlich zu einem starken und sicheren Schuss führt.
Zwei Arten von Schüssen
In der modernen Trainingsarbeit und Analyse hat man herausgefunden, dass der Schütze im Grunde zwei Arten von Schüssen abgeben kann. Erstens den starken und selbstbewussten Schuss und im Gegensatz dazu den eher schwachen oder verhaltenen Schuss.
Bei einem starken und selbstbewusst ausgeführten Schuss fällt somit die Beeinflussung durch den Wind weit weniger ins Gewicht als bei einem schwachen oder verhaltenen Schuss. Daraus wird deutlich, dass bei einem guten Schuss der rechts in der 8 oder 9 sitzt, der Wind den Pfeilflug versetzt hat. Hingegen bei einem verhaltenen Schuss ist es nur schwer nachzuvollziehen, ob der Schuss dem Wind oder dem Schützen zuzuordnen ist.
Hilfsmittel
Um den Wind beim Training oder bei einem Turnier besser einschätzen zu können, sollten Sie auf alle vorhandenen Hilfsmittel, die Sie vor Ort finden, zurückgreifen. Als erstes sind hier die kleinen Fähnchen, die sich oben auf den Scheiben befinden, zu nennen. Hier können sie erkennen, aus welcher Richtung der Wind kommt.
Zusätzlich bieten sich vorhandene Windhosen, Windsäcke, Werbebanner, Bäume oder Flaggen zur Bestimmung der Windstärke an. Auch ist es hilfreich, während der Pausen auf die Nachbarscheiben zu schauen. Wo stecken die Pfeile? Hieraus lassen sich für das eigene Schießen wertvolle Hinweise ableiten. Treten starke Böen auf, sollten diese abgewartet werden.
Wann verstelle ich mein Visier?
Um diese Frage beantworten zu können, ist es zunächst wichtig zu wissen, ob es sich um einen nahezu gleichmäßigen Wind aus einer Richtung handelt, ober ob starke Schwankungen in der Windstärke vorliegen. Grundsätzlich gilt, dass das Verstellen des Visieres letztendlich nur etwas bringt, wenn der Wind relativ schwach und gleichmäßig auftritt. Erfahrene und erfolgreiche Schützen nutzen dieses Verfahren nur, wenn aus ihrer Sicht der Wind „vorhersehbar“ ist. Hierbei muss das Visier ständig überprüft und kontrolliert werden, wenn der Wind plötzlich aufhört oder seine Richtung ändert.
Eine der häufigsten im Bogensport angewandten Methoden bei Wind ist das sog. „Danebenhalten“. Hierbei wird nicht der eigentliche Zielpunkt den es zu treffen gilt anvisiert, sondern je nach Windrichtung und Windstärke ein vorher definierter Punkt davon. Genauer ausgedrückt heißt das für den Bogenschützen, dass er seinen Zielpunkt links – rechts – höher oder tiefer anvisiert, je nach Einfluss des Windes auf den Pfeilflug.
Der einzige Weg bei windigen Verhältnissen besser als andere zu schießen ist, bei Wind zu trainieren. Sammeln Sie Erfahrung indem Sie bei Wind und schlechten Witterungsbedingungen trainieren. Machen Sie es der Jahrtausend alten Wissenschaft nach, die unter dem Motto handelte und auch heute noch handelt. Ausprobieren und schauen was passiert!
Machen Sie ihre eigenen Erfahrungen bezüglich des Pfeilfluges bei Wind und ihrem eigenen Verhaltenbeim Schießen. Meiden Sie nicht das Schießen auf dem Trainings- oder Turnierplatz bei Wind, sondern wählen Sie solche Bedingungen gezielt aus. Der Schlüssel zum Erfolg ist, bei Wind zu üben. So bleibt die eigene Form stets konstant und gleichmäßig, egal, bei welchen Witterungsbedingungen.
Ein Leitsatz hierzu lautet: Verstehe den Wind und lerne mit ihm zu schießen!
Die eigene mentale Stärke
Um die eigene mentale Stärke zu entwickeln ist es zunächst wichtig, die Herausforderung bei schwierigen Witterungsbedingungen zu schießen anzunehmen und sie zu seinem eigenen Vorteil (Selbstbewusstsein) umzuformen. Optimismus und nicht Pessimismus sind hier gefragt, denn alle Wettkampfteilnehmer bei einem Turnier haben dieselben Voraussetzungen, nämlich schießen bei schlechten äußeren Bedingungen.
Von solchen Gedanken wie:
- Man, ist das heute vielleicht windig/stürmisch
- Das wird bestimmt nicht gut ausgehen
- Das ist echt übel heute
- Das wird bestimmt kein Zuckerschlecken
sollten sie sich ganz schnell, schon im Vorfeld, verabschieden.
Positive Gedanken wie:
- Auch wenn es windig ist, schieße ich gut
- Ich habe gut bei Wind trainiert und bin bestens vorbereitet
- Auch bei Wind zu schießen kann richtig Spaß machen
sollten im Vordergrund stehen!
Ein Turnier bei schlechten äußeren Bedingungen zu bestreiten, erfordert die volle Fokussierung und Konzentration des Schützen und dieses bis zum allerletzten Pfeil.
Das Ergebnis nach Ende eines Turnieres
Um in der Nachbetrachtung eines Turnieres durch den Bogenschützen zu einem objektiven Ergebnis zwischen Trainer und Schützen zu gelangen, ist zunächst die innere Einstellung des Erlebten ausschlaggebend. Erfahrene und erfolgreiche Bogenschützen machen in der Beurteilung, ob ein Turnier erfolgreich war oder nicht, zunächst weder von der Platzierung noch von der erreichten Ringzahl abhängig. In der Nachbetrachtung ist ausschlaggeben, unter welchen äußeren und auch persönlichen Bedingungen das Erreichte zustande gekommen ist.
Natürlich ist ein Meistertitel mit einer Rekordringzahl etwas ganz besonderes, aber auch ein Meistertitel oder eine gute Platzierung die unter schwierigen Bedingungen mit einer nicht so hohen Ring zahl zustande gekommen ist, macht den Reiz des Bogensportes aus und kann somit einen hohen persönlichen Stellenwert für den Sportler einnehmen.
Text: © Bert Mehlhaff 2015
Martina Berg ist Chefin von Bogensport Deutschland. Sie schießt intuitiv mit einem Hybridbogen, ist DFBV-Trainerin und Lippische Meisterin mit dem traditionellen Bogen. Als engagierte Händlerin kennt sie sich auch mit Compound- und Recurvebögen aus. Zusammen mit Bert Mehlhaff schreibt sie Bücher für Bogenschützen.